Woher kommt das Bauchgefühl

Mann auf einer Dachterrasse, im Hintergrund Hochhäuser
Bild von Ilja Pawel

Unser Denken ist ein Prozess, der im ganzen Körper stattfindet. Wie das alles genau funktioniert ist allerdings noch nicht erforscht. Insbesondere kommuniziert unser Gehirn im Kopf mit dem sogenannten enterischen Nervensystem. Dies wird gerne auch als „Bauchhirn“ bezeichnet. Unsere Stimmung und Emotionen können auch vom Zustand unseres Darmes abhängen. Und unsere Emotionen haben einen großen Einfluss auf unsere Entscheidungen.

Was ist das Bauchhirn und was macht es?

Unser Verdauungsapparat ist von Anfang bis Ende, d.h. von der Speiseröhre bis zum Enddarm von Nervenzellen durchzogen. Insgesamt sind es zwischen 100 bis 200 Millionen Nervenzellen. Es ist somit eines der wichtigsten Informationssysteme des menschlichen Körpers.

Vorrangige Aufgabe ist die Steuerung der Verdauung. Dies geschieht autonom, d.h. ohne Interaktion mit unserem Gehirn. Eine klassische Arbeitsteilung sozusagen. Dennoch weiß man inzwischen, dass Bauch und Kopf über Nervenstränge miteinander verbunden sind und Informationen austauschen. Zum Beispiel werden an den Kopf das Hunger- oder Sättigungsgefühl vermittelt. Auch zur Gefahrenabwehr arbeiten beide Systeme zusammen. Im Falle des Verzehrs giftiger oder verdorbener Lebensmittel werden diese vom Bauchhirn detektiert und and das Kopfhirn übermittelt. Dieses wiederum sendet Signale zur Auslösung motorischer Reflexe, z.B. Erbrechen.

Der noch sehr junge Zweig der Neurogastroenterologie beschäftigt sich mit der Erforschung des Bauchhirns und dem Zusammenspiel mit anderen Organen im Körper.

Kommt das Bauchgefühl aus dem Bauch?

Wie das Bauchhirn unser Denken beeinflusst ist noch weitgehend unerforscht. Manche Wissenschaftler vermuten, dass das Bauchhirn Gefühle und Empfindungen wie in einer Art externer Festplatte speichert. In Entscheidungssituationen werden ähnliche Situationen aus der Vergangenheit mit den gespeicherten Informationen abgeglichen. Allerdings denkt das Bauchhirn nicht selbst und auch die Entscheidung fällt nur im Kopf.

Aus dieser Sicht ist auch der Begriff Bauchgefühl irreführend. Gerd Gigerenzer definiert in seinem Buch „Bauchentscheidungen“ das Bauchgefühl als ein Urteil, welches

  • Rasch im Bewusstsein auftaucht
  • Dessen tiefere Gründe uns nicht bewusst sind
  • Stark genug ist, danach zu handeln

Nach allem, was wir bisher wissen, kommt das Bauchgefühl nicht aus dem Bauch. Sehr wohl können unsere Emotionen aber von unserem Bauch beeinflusst werden. Dazu später noch mehr.

Gute Intuition, oder eben Bauchgefühl, beruht auf dem gezielten Ignorieren verfügbarer Information. Dies erfolgt über die Anwendung von Heuristiken, die komplexe Sachverhalte auf wenige einfache Parameter reduzieren und somit beherrschbar machen.

„Rationales Verhalten des Menschen wird durch eine Schere geformt, deren Klingen die Umwelten und die kognitiven Fähigkeiten des Handelnden sind.“

Herbert A. Simon

Ohne Heuristiken, auch als Faustregeln bezeichnet, wären wir wahrscheinlich hoffnungslos mit der Beurteilung unserer komplexen Umwelt überfordert. Der Sozialwissenschaftler und Nobelpreisträger Herbert Simon spricht von begrenzter Rationalität.

Emotionen aus dem Bauch heraus…

Kopfhirn und Bauchhirn bestehen aus den gleichen Grundelementen und nutzen dieselben Botenstoffe, z.B. das Glückshormon Serotonin. Es ist unbewiesen, dass Emotionen im Bauch entstehen. Wahrscheinlich sind diese Prozesse zu komplex. Aber das Bauchhirn kann selbstständig auf äußere Reize reagieren. Über die angesprochene Verbindung zum Gehirn können diese Reize Eingang in die Informationsverarbeitung im Gehirn bekommen. Der deutsche Philosoph hat den Zusammenhang zwischen Ernährung und Persönlichkeit als erster formuliert (wahrscheinlich war aber schon früher ein Zusammenhang vermutet worden) und gesagt: „Der Mensch ist, was er isst.“

„Der Mensch ist, was er isst“

Ludwig Feuerbach

Der Volksmund hat daraus das bekannte Sprichwort „Du bist, was du isst“ gemacht. Es kann auf keinen Fall schaden, auf eine gesunde Ernährung zu achten. Dies auch im Hinblick auf gute Entscheidungen. Allerdings bin kein Ernährungsberater. Dieses Thema ist mindestens genauso komplex wie das Thema Entscheiden.

Woher kommt nun das Bauchgefühl? Es kommt zwar nicht aus dem Bauch, aber ohne ihn geht es auch nicht. Es gibt offensichtlich gute Gründe, dass wir Menschen sowohl mit dem Verstand als auch mit dem Gefühl Entscheidungen treffen. Weder ist es grundsätzlich gut, nur auf seinen Bauch zu hören (warum hat uns denn sonst die Natur mit so einem großartigen Organ wie dem Gehirn ausgestattet, das immerhin auch beträchtliche Energieressourcen beansprucht) noch kann man rational alles verstehen und ein vernünftiges Urteil bilden. Die Kunst guten Entscheidens besteht darin, beides sinnvoll miteinander zu verknüpfen.

Herzliche Grüße euer

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