Komplexität und Kompliziertheit

Fraktal als Beispiel für Komplexität
Bild von Mystic Art Design auf Pixabay 

Es ist wichtig, den Unterschied zwischen Komplexität und Kompliziertheit zu kennen, um die jeweils richtigen Denkweisen auf sie anzuwenden.

Unterscheidung komplexer und komplizierter Systeme

Ein kompliziertes System kann ich vereinfachen und in Teilsysteme zerlegen. Andererseits kann ich ein ein komplexes System nicht vereinfachen, ohne das System dabei zu verändern. Eine theoretische Beschreibung ist somit auch wesentlich schwieriger. Der deutsche Psychologe Peter Kruse sprach sogar davon, dass eine Trivialisierung eines komplexen Systems dieses zerstört.

Mithin ist die Möglichkeit der Vereinfachung einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Komplexität und Kompliziertheit.

Ein System ist kompliziert, aber nicht notwendigerweise komplex, wenn ich exakte Ursache-Wirkung-Beziehungen habe. Zum Beispiel kann ein Stromkreis kompliziert sein, aber er bleibt grundsätzlich berechenbar und kann in Teilkreise zergliedert werden.

Ein komplexes System hingegen ist dermaßen vielfältig und nichtlinear, dass es nicht einfach vereinfacht werden kann. Aus dieser Vielfältigkeit können neue Eigenschaften aus den Systemelementen entstehen. Dieses Phänomen wird üblicherweise als Emergenz bezeichnet. Daraus folgt die Definition der Emergenz (Fulguration) als die Fähigkeit eines Systems, von sich heraus neue Eigenschaften zu bilden.

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Aristoteles

Beispiele für komplexe Systeme sind das menschliche Gehirn, das Ökosystem, das Finanzwesen oder das globale Wetter oder unser Sozialleben (beruflich wie privat). Aus der Vielfalt entstehen neue Möglichkeiten. Die wechselseitigen Beziehungen sind vielfältig und nicht linear. Eine Verdoppelung der Teilnehmer einer Diskussion führt üblicherweise zu einer mehr als doppelt so langen Abstimmungs-besprechung (jeder, der regelmäßig an Geschäftsterminen teilnimmt, weiß, was ich meine).

Umgang mit komplexen Systemen

Der menschliche Geist kann mit unglaublich großen Informationsmengen umgehen. Trotz dieser herausragenden Eigenschaft ist unser Verständnis für komplexe Zusammenhänge begrenzt. Die Informationsverarbeitung stößt früher oder später an individuelle Grenzen. Der amerikanische Sozialwissenschaftler Herbert A. Simon bezeichnete dies als begrenzte Rationalität (bounded rationality) und begründete einen neuen Zweig der psychologischen Forschung.

„Rationales Verhalten des Menschen wird durch eine Schere geformt, deren Klingen die Umwelten und die kognitiven Fähigkeiten des Handelnden sind.“

Herbert A. Simon

Diese Begrenzung unseres Verstandes macht es uns unmöglich, jedes System rational zu betrachten und zu verstehen. Der Mensch ist darauf angewiesen mit anderen Denkprozessen darauf zu reagieren, dies können Heuristiken sein, die auf den erworbenen Erfahrungen basieren. Eine wunderbare Erklärung der vorhandenen Möglichkeiten gibt der eingangs erwähnte Peter Kruse in diesem Video:

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Besonders wichtig ist aber der Hinweis, dass Heuristiken zwar schnell und effizient funktionieren, aber durchaus mit Fehlern behaftet sein können. Ohne „Kalibrierung“ unseres Bauchgefühls führt es uns geradewegs in die Irre. Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat in seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ ausführlich beschrieben, welche Denkfehler bei der Anwendung von Heuristiken auftreten können. Dieses Wissen ermöglicht es uns (bzw. einem objektiven Betrachter) diese Denkfehler zu erkennen und zu vermeiden.

Intuition als Mittel zu effizienten Entscheidungen in komplexen Situationen

Wer sich näher mit dem Thema Intuition und Bauchgefühl beschäftigen möchte, kommt an Gerd Gigerenzer nicht vorbei. Er erforscht seit Jahrzehnten wie Intuition funktioniert und in welchen Situationen wir uns darauf verlassen können und in welchen nicht. Einen gut lesbaren Einblick und Einstieg in diese Materie gibt sein Buch „Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition“. Wer möchte, findet allerdings auch zahlreiche wissenschaftliche Artikel, die ausführlich die Materie beleuchten.

“Die Intelligenz des Unbewussten liegt darin, dass es, ohne zu denken, weiß, welche Regel in welcher Situation vermutlich funktioniert.“ Gerd Gigerenzer

Gerd Gigerenzer

In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß bei der bewussten und unbewussten Erkundung komplexer Systeme und dem Versuch, diese zu verstehen. Bei allen Entscheidungen ebenfalls eine glückliche Hand. Entweder beruhend auf unserer Intuition oder auch unseres rationalen Denkens. Oder eben beides gemeinsam in einer Einheit.

Herzliche Grüße euer

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